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Heute sind mit der Bremer Braumanufaktur, der Grebhan’s Brauerei und der Union Brauerei ein paar regionale Hopfenhelden dazu gekommen. Und selbst bekennende Freunde des Mosel-Rieslings zieht es hin und wieder in die „Craft Bier Bar“ am Wall, in der man sich zwischen 40 verschiedenen (!!!) Fassbieren entscheiden darf. Daneben stehen noch über 100 Flaschenbiere für den globalen Durst zur Verfügung.
Wem das zu weltoffen ist, fährt wohl besser etwas weiter nördlich zur angesagten Union Brauerei. Das schmucke, heute denkmalgeschützte Anwesen dümpelte knapp 50 Jahre lang als „Brauruine“ vor sich hin, ehe es aufwändig saniert und im Dezember 2015 wiedereröffnet wurde. Mit moderner Technik hat man das historische Backsteingebäude zur „Freien Brau Union Bremen“ erhoben und die Unabhängigkeit vorsorglich im Namen verankert. Man versteht sich schließlich als selbständige freie Handwerksbrauerei und das passt konzeptionell ja ganz gut in die mindestens genauso freie Hansestadt an der Weser.
Auf dem eindrucksvoll restaurierten Brauereigelände existiert ein Shop, in dem zusätzlich zum vielfältigen Flaschenbierangebot (9 verschiedene Sorten!) auch allerlei Devotionalien rund um das frisch Gehopfte „gemerchandised“ werden. Caps, T-Shirts und Hoodies warten samt Brauerei-Logo auf ihre junggebliebene Klientel. Ein paar Treppenstufen höher werden im großzügigen Braugarten regelmäßig die Spiele des SV Werder unter dem Glasdach übertragen. Bei schönem Wetter lässt sich dieses sogar öffnen.
Gastronomisch von Interesse ist das angeschlossene Brauereigasthaus, in dem es sich zünftig speisen lässt. „Nicht kleckern – klotzen!“ scheint das Motto der Betreiber zu sein. Das hineingesteckte Geld muss ja auch irgendwie wieder reinkommen. Kein Wunder, dass sich die Biere der Union Brauerei in vielen gut sortierten Bremer Supermärkten wiederfinden. Aber Massenproduktion steht ja eigentlich eher im Gegensatz zum „Craftbiergedanken“… Nun gut, man sollte immer selbst das Geschmacksbild einholen. Weshalb das nicht gleich mit einem rustikalen Abendessen verbinden?
Schon bei unserem letzten Besuch im vergangenen Winter hatten wir ein Essen in der Braugaststätte auf unserer kulinarischen Agenda, aber der kurze Aufenthalt ließ es damals nicht zu. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben und so reservierten wir an einem Mittwochabend Anfang August einen Tisch für fünf Personen im weitläufig angelegten Bremer Bierpalast. Draußen vor den hohen Rundbogenfenstern waren ein paar Tische platziert, die jedoch infolge der warmen Witterung komplett belegt waren.
Durch die Eingangshalle mit der beeindruckenden Schiefertafel, die eine gelungene Übersicht über die verschiedenen Malze, Hopfenarten und Biersorten bietet, gelangt man in das rustikal eingerichtete, hallenartige Brauereigasthaus. Erster Blickfang zur Linken: der imposante Thekenbereich mit den glänzenden Alutanks in Hochlage. Aus ihnen fließt das handwerklich Gehopfte nach unten in die Zapfanlage. Mit derbem Holzmobiliar und erdigem Parkettboden rückt man dem Flair des Zünftigen zu Leibe. Wäre die Dimension etwas kleiner und die Decken nicht gar so hoch, würde sich sogar Gemütlichkeit einstellen. Zumindest nach dem ersten Pale Ale.
Die Stirnwand durchzieht ein indirekt beleuchtetes Holzregal mit Bierflaschen unterschiedlichster Provenienz. Auf einer eingezogenen Wand lässt sich die Historie der Union Brauerei mit Hilfe gerahmter Bilder aus alten Zeiten verfolgen. Man spürt die Bemühungen der Betreiber, eine ungezwungene Brauhausatmosphäre in der altehrwürdigen Halle zu installieren. Dies gelingt jedoch nur teilweise. Zu voluminös ist der Gastrobereich angelegt. Wer auf Bierzelttrubel steht, wird sich sicherlich wohlfühlen. Ein romantisches Craftbeer-Dinner zu zweit wird dagegen eher schwierig.
Die jungen Bedienungen wechselten sich ab. Uns war nicht immer klar, wer denn nun genau für unseren Tisch zugeteilt war. Aber der Service erfolgte weitgehend reibungslos. Auch hielt man sich mit dem obligatorischen Duzen zurück, was in solchen Stätten der Hipness nicht immer der Fall ist. Der nette junge Mann mit Rauschebart und Baseballkäppi – da war es wieder, das Klischee – reichte uns die auf Bretter geklemmten Speisekarten, wie das in solch trendigen Etablissements Usus ist.
Wer hier auf anachronistische Brauhausküche mit Brathähnchen, Haxen und Schäufele wartet, wird vom Angebot überrascht sein. Von der Emder Matjes-Stulle (5,90 Euro) bis zum Bremer Backfisch in Bierteig (12,50 Euro) wird unterschiedlichsten Essgewohnheiten kulinarischer Nährboden bereitet. Scharfe Mini Hot Dogs werden als „Fünferkette“ (8,90 Euro) deklariert und das Wiener Schnitzel vom Kalb kommt entweder im Originaloutfit (mit Preiselbeeren, Fritten oder Kartoffel-Gurkensalat, 18,50 Euro) oder in der preisgünstigeren Hähnchenbrustversion (11,90 Euro) aus der Küche.
Neben Klassikern der fortschreitenden Food-Globalisierung (Burger, Papadams, Dumplings und Caesar Salad) wird auch richtiges „Union Craft Food“ wie z.B. die Pasta mit Rinderfiletstreifen (14,50 Euro) angeboten. Für den gemischten Grillteller mit Hähnchenbrust, Porter-Bratwurst, Hacksteak und Rinderfiletmedaillon (18,50 Euro) reichte mein Hunger nicht. Den hätte sich wohl eher mein daueressender Kollege aus Monnem gegönnt. Schön, dass bei manchen Gerichten eine passende Bierempfehlung gegeben wurde. Soweit, so reichhaltig das Speisenangebot, das von Hinweisen auf den 14-tägigen Spare-Ribs-Donnerstag und das anstehende „Bremer Oktoberfest“ ergänzt wurde.
Neben skurril anmutenden Biercocktails, wie beispielsweise Rhabarbersaftschorle mit Rotbier, Zitrone und braunem Zucker, kommen acht verschiedene Sorten aus den Fässern und Tanks frisch durch die Zapfanlage. Von befreundeten Brauereien werden zusätzliche Fassbiere angeboten. Daneben komplettieren ein paar „Flaschenfreunde“ (Störtebeker, Ratsherrn, Brew Dog und Crew Republic) das erlesene Bierangebot. Und für die aus unerfindlichem Grund hierher verirrten „Hopfenmuffel“ stehen sogar noch ein paar Rot- und Weißweine – einige davon sogar aus der Pfalz! – zur Verfügung.
Die Preise für das Selbstgebraute sind nicht schüchtern. Um die 5 Euro muss man für den „falschen Schoppen“ (0,4 Liter) schon investieren. Das sogenannte „Bremer Brett“ bietet fünf Sorten zum Probieren für 6,90 Euro an. Eine gute Möglichkeit, um den Einstiegskurs in Sachen Craftbier zu absolvieren. Auch gut: die frisch gezapften Fassbiere werden in der Karte hinsichtlich ihrer Brauart, Farbe und Geschmacksrichtung kurz erklärt.
Der süffige Hanseat ist hier nicht als Beleidigung des geschätzten GG-Kollegen zu verstehen, sondern stellte in der Version 2.0 mein erstes „freies Bremer Bier“ des Abends dar. Neben mir ließ man das Bier-Brett in Degustationslaune auffahren. Dazu erkor ich den „Union Beef Burger“ mit stattlichen 200g frisch gewolftem Rinderhack, Bierzwiebeln (aber hallo!), Cheddar, Tomate, Salat und Union Fritten (als 13,50 Euro) als passende „Unterlage“ aus. Ok, der Vollständigkeit halber muss ich gestehen, dass ich ihn mit Extra-Bacon (+ 1,50 Euro) gepimpt habe.
Der ansehnliche Beef Burger ging an unserem Tisch dreimal. Die Minderheit hatte dagegen schweinischere Gedanken. Bei uns in der Pfalz nennt man das ewig lang gegarte Schweinefleisch ganz unprätentiös „gezupfte Wutz“. Dass es sich auch ganz hervorragend zwischen zwei Brioche-Buns stecken lässt, ist keine kulinarische Entdeckung mehr. Der „Pulled Pork Burger“ kam serienmäßig mit Cole Slaw, Koriander, Pale-Ale-Mangochutney und Union-Fritten für 12,50 Euro auf den Teller. Sein Faserfleisch hatte schmeckbaren Smoker-Kontakt und war herrlich süffig. Wie bei meinem Classic-Burger stand auch hier ein Schüsselchen delikat gewürzter „Union-Fritten“ als Beilage neben dem Schweine-Burger. Die Fritten ähnelten von der Form her etwas dickeren Kartoffelchips, waren außen schön knusprig und innen noch leicht fluffig. Wohl frittiert, troffen sie nicht vor Fett und waren so eine gar nicht mal so schwer verdauliche Sättigungsbeigabe. Mit dem nötigen Ober- oder Untergärigen im Glas ließ sich das alles gut runterspülen. Mein Burger kam qualitativ nicht ganz an die Karlsruher Deli-Buletten ran, aber war vom Fleisch her schon ganz ordentlich. Gehobenes Pubfood, das mir mit 15 Euro jedoch etwas zu hochpreisig erschien. Für das Gebotene fehlte mir da etwas die Kreativität wie ich sie ein paar Wochen zuvor in Neustadt bei Bruno zwischen den Buns hatte.
Bierbrauen können sie in der Union, das steht außer Frage. Das Bremer Pale Ale, das ich mir nach dem kupferfarbenen Hanseaten gönnte, schmeckte verdammt lecker und auch meine Begleiter meisterten ihre Bremer Bierprobe ganz gut. Kein umwerfendes Aha-Erlebnis in Sachen Hopfenwürze, aber schon weitaus besser als die globale Industrieplörre des Anheuser-Busch-Konzerns vom Weserufer. Klar merkt man auch dem Unionsbräu die Abkehr vom Garagenbier-Gedanken an. Zu massenkompatibel und zu glatt gebügelt im Geschmack erschien mir der gecraftete Sud, als dass er es mit den „Hopfen- und Malz-Geschossen“ kleinerer Brauereien, wie etwa Grebhan’s, aufnehmen könnte. Aber die Bremer Braulandschaft bereichert er allemal. Und wenn der Hype in ein paar Jahren verflogen ist, stimmen auch die Preise wieder.